Traditionskegelclub von 1992

Die Kegel-Herbergen

Als am 29.10.1992 der Kegelclub „lekketäsch“ das Licht der Welt erblickte, stand der frisch geloste Vorstand bereits vor seiner ersten großen Bewährungsprobe: Es musste ein geeignetes Domizil gefunden werden, wo die sportliche Ausbildung der ebenso ahnungslosen wie „ehrgeizigen“ Athleten vorangetrieben und in monatlichen Trainingseinheiten eine Perfektionierung der Technik erreicht werden sollte.

Der Ort Hetzerath ging abermals in die Geschichte ein, denn dort wurde nicht nur die Idee unseres Kegelclubs geboren, hier fiel am 13.11.1992 auch die erste lekketäsch-Kugel in die Pau.

Im „Haus Hetzerath“, unter der damaligen Leitung von Marianne und Lutz (hier hatte eindeutig die Frau die Hosen an), begannen unseren ersten Kegelversuche. Doch schon bald wurde klar, dass unsere Talente anderswo zu suchen waren, und so widmeten wir uns vermehrt den Dingen, bei denen wir deutlich größere Erfolge erzielen konnten. Hierzu zählten insbesondere das einarmige Reißen in der Halbliterklasse (zuweilen konnten wir durch einen Zwei-Liter-Stiefel – an dem Waldää beinahe verreckt wäre - auch in einer höheren Gewichtsklasse kämpfen), der Aschenbecher-Weitwurf sowie die Disziplin „Schnell-Demontage der Heizungs-Thermostate“.
Nachdem diese Sportarten bei unseren Wirten jedoch nicht auf entsprechende Gegenliebe stießen, verlegten wir uns in der Folgezeit wieder schwerpunktmäßig auf das Kegeln. Um unsere Laktat-Werte zu verbessern, steigerten wir von Monat zu Monat unseren Konsum an Pilsbiergetränken, Weizenbieren und diversen Schnäpsen. Doch an einem Abend wurde schlagartig deutlich, dass übermäßiges Doping auch zu unkontrollierbaren Handlungen bei einigen Sportlern führen kann. Unser Bruder Flodder fühlte sich nach dem Genuss von zehn großen Pils sowie vier Hefeweizen (natürlich im beidarmigen Parallelsaufen) und zwei Pausen-Nickerchen derart leistungsfähig, dass er sich bei einem kräftigen Wurf unseres Muskelpakets Jüng plötzlich vom Stuhl riss, um die Kugel des Kollegen noch vor Erreichen der Kegel einzuholen (Dies wird gemäß Preisaushang mit einer Runde für die Mannen belohnt.). Ein erhebliches Maß an Selbstüberschätzung, wie sich Sekunden später herausstellen sollte. Die Kugel erreichte ihr Ziel, doch Flodder landete mit einem mächtigen Knall in der Anzeigetafel. Das Ergebnis: Bei ihm waren alle Lampen an, an der Tafel und in der ganzen Kneipe leider alle aus. Der sportliche Teil des Abends war vorzeitig beendet.
Angesichts dieser Geschichten war es dann auch nicht verwunderlich, dass Marianne und Lutz kurze Zeit später das Handtuch schmissen und völlig entnervt das Weite suchten. Da konnte auch eine zwischenzeitlich eingeflogene Polin als Aushilfsbedienung nichts mehr retten, obwohl der Umsatz in der Kneipe zu dieser Zeit drastisch angestiegen. Das hatten wir nun davon. Entsprechend dem Spruch „keine Arme, keine Kekse“ wurden wir durch die Schließung der Kneipe aller Entfaltungsmöglichkeiten beraubt und heimatlos. Nicht zum letzten Mal, wie die Zukunft zeigen sollte.

Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass nicht nur „Haus Hetzerath“ zu dieser Zeit ein beliebtes lekketäsch-Quartier war. Das „Hotel Fensky“ übte nach so manchem Kegelabend eine besondere Anziehungskraft aus. Anstatt seine total saaten Kameraden mit dem Taxi die Heimreise antreten zu lassen, lud Chynasky die Burschen regelmäßig zu sich und seinen Eltern nach Hause ein, um dort den Rausch auszuschlafen. Als Ausnüchterungszelle dienten zumeist Chynas´ Zimmer oder das Gästezimmer nebenan, welche am nächsten Morgen nicht ohne schweres Atemschutzgerät betreten werden konnten. Besonders Flodder nahm das Angebot „Übernachtung mit Frühstück“ gerne an. Nach einem Kegelabend stand er sogar mit einem komplett gepackten Koffer vor Chynasky´s Mutter, die ihn leicht irritiert fragte, wie lange er denn vorhabe zu bleiben. Erst als Flodder leicht lallend erklärte, er müsse am nächsten Morgen nach Berlin zu seiner Schnalle, beruhigte sich die Szene.

Nach etwa einem halben Jahr Kegelpause ging es in „Haus Hetzerath“ weiter. Fred hieß der neue Schanklümmel. Mit ihm mussten wir die leidliche Erfahrung machen, was es heißt, von seinem Wirt abhängig zu sein. Mit der Leidenschaft eines arbeitslosen Zuhälters und der Knauserigkeit eines Finanzbeamten verfolgte er sein Geschäft. Er war es auch, der den Begriff der „Sieben-Minuten-Biere“ prägte und mit dafür verantwortlich war, dass der Bierumsatz in Deutschland bemerkenswert zurückging. Fred war alles, nur kein geborener Kneipenwirt. Lieber rauchte er seine Zigarillos und las Zeitung, anstatt unsere durstigen Kehlen zu bedienen. Der Spruch „Ja sind wir denn hier in der Wüste?“ stammt aus dieser Zeit. Zum Zeitvertreib zwischen den Runden wurde auch eine ganz neue Sportart, das „Bierdeckel-in-den-Ventilator-schmeißen“, erfunden. Diese Disziplin erfreut sich noch heute großer Beliebtheit, wobei der Ventilator gegen die Köpfe einiger Kegelbrüder ausgetauscht wurde.
Ein Highlight setzte Fred dann noch kurz vor seinem Abgang, als er auf Chynasky´s Frage, ob er denn eine Portion Pommes machen könne, antwortete: „Pommes sind nur Beilage. Wenn Du willst, kriegst Du sie nur mit ´nem Schnitzel oder ´ner Currywurst dabei.“. Zum Schluss weigerte er sich sogar, die Küche überhaupt aufzumachen. Wir könnten uns ja eine Pizza kommen lassen.

Die nächste Ära wurde dann von Michael und Turhild eingeleitet. Sie waren das genaue Gegenteil von Lass-mich-in-Ruhe-Fred. Mit viel Engagement kurbelten Sie das Geschehen in der Kneipe wieder an, machten gutes Essen und versorgten uns mit Gerstenkaltschalen, wie wir es schon lang nicht mehr erlebt hatten. Die Zeit mit Michael und Turhild war quasi eine Renaissance, doch auch diese Epoche hielt nicht lange, weil der Halsabschneider-Eigentümer der Kneipe unseren Pächtern durch seine überhöhten Forderungen die Lust zum Weitermachen nahm. So standen neben uns auch die Gurkenschweine wieder auf der Straße.

Doch diesmal blieben wir nicht lange untätig und Waldää verschaffte uns in Baal ein Ausweichquartier im Landhaus Rick. Das war dann der berühmte Griff ins Klo, wobei unser Erfahrungsschatz deutlich angereichert werden konnte. Wir erlebten beispielsweise, dass die Puddelrinne nicht zwangsläufig Holzabstinenz bedeuten muss, denn die Kugel konnte am Ende der Pau durchaus wieder auf die Bahn zurückfinden. Außerdem muss nicht jede Decke mit Holz verkleidet sein – ein Fallschirm tut´s auch. Gegenüber unseren Kegel-Qualitäten konnten wir hier zumindest unsere Tischfußball-Fähigkeiten verbessern. Letztlich erkannten wir hier auch den Sinn und Zweck einer fachkundigen Bedienung. Nachdem die Kellnerin sechsmal in der Küche nachgefragt hatte, stand fest, dass 34 von 35 Speisekarten-Menüs und bis auf Käse alle Pizza-Beläge ausverkauft waren. Wir einigten uns auf die Bestellung des übrig gebliebenen Schweine-Schnitzels. Beim siebten Auftritt der Schwester Oberin verging uns dann allerdings vollkommen die Lust aufs Essen als sie sagte: „Ich hab gerade noch mal in der Küche nachgefragt. Schnitzel kann ich heute nicht empfehlen!“ Das war´s dann.

Doch schon wenige Wochen später hatten wir eine neue Bleibe. Im „Baaler Eck“ fanden wir ein neues Zuhause, welches uns für ein gutes Jahr beherbergte. Wir hatten unsere neue Wirtin schnell lieb gewonnen, so dass wir ihr den Kosenamen „tätowierter Bär“ verpassten. Einen Beweis über die Rechtmäßigkeit dieses Namens blieb sie uns jedoch (Gott sei Dank) schuldig. Jedenfalls hatte sie uns in der Zeit gut bewirtet. Neben der prompten Versorgung mit Flüssignahrung waren insbesondere die Pommes und Fleischgerichte ein wahrer Genuss. Vor allem Ken o´ B wurde hier erstmals in seinem Leben richtig satt. Für unsere Zugfahrer Pläät, Wixää und Flodder wurde hier ebenfalls einiges geboten, konnten sie doch grenzüberschreitende Freundschaften knüpfen. Serge war von der Kontaktfreudigkeit unserer Brüder jedenfalls sehr angetan. - Doch es war wie verhext. Auch dieses Glück wurde jäh zerstört. Ein nächtliches Feuer vernichtete unsere Idylle und – wieder waren wir obdachlos.

Noch einmal ging es für einen kurzen Abstecher nach Hetzerath, wo mittlerweile ein neuer Trottel das Zepter übernommen hatte und ebenfalls, wie schon alle seine Vorgänger, nach kurzer Zeit ins Verderben rannte. Dass wir hier keine großen Hoffnungen hatten, zeigt die Tatsache, dass dieser Wirt in unserer Geschichte der einzig anonyme Kneipier blieb. An eines erinnern wir uns doch: In einer Phase ausgeprägten „SÜD“ unseres Pläät, musste die Kugelablage auf der Kegelbahn durch einen gezielten Tritt (wie seinerzeit Jürgen Klinsmann in die Sanyo-Tonne) schwer leiden.

Nun war es an der Zeit, eine endgültige Bleibe zu finden, denn das ständige Hin und Her zehrte doch extrem an unseren Kräften. Fündig wurden wir schließlich im Oberbrucher „Altstadt-Treff“, wo uns neben dem Chef Rolf eine gepflegte Atmosphäre, gutes Essen und, nicht zu vergessen, durchaus aufgeschlossenes Personal empfing. Lediglich die Preise bereiteten manchem von uns noch einige Kopfschmerzen (oder lagen die Ursachen des Unwohlseins am Morgen danach doch woanders).

Aus diesem Grund wurde noch einmal die Kneipe „Baaler Eck“ getestet, die nach der Feuersbrunst wieder in neuem Glanz erstrahlte. Leider war dieser Glanz nur äußerlich, denn hinter der erneuerten Fassade hatte sich einiges negativ verändert. Der „tätowierte Bär“ hatte sich in der Zwischenzeit zur Frikadellen-Fachverkäuferin umschulen lassen und betrieb mitten in der Kneipe eine ordinäre Pommes-Bude. Da nur noch wenig Zeit für die Kneipe blieb, war es nicht verwunderlich, dass unsere Kegelbahn nach der Zwangspause eher einem heruntergekommenen Gewölbe in einem Spukschloss glich. Prompt gesellte sich auch das als Kellner verkleidete Schlossgespenst dazu. Dem Aussehen nach eher der Zunft „Schiffschaukelbremser“ zuzuordnen, wollte er in Wölff einen alten Kumpel und Weggefährten erkannt haben. Doch um sein Ansehen bei uns zu wahren, leugnete Wölff beharrlich jeglichen Kontakt zu dem schrägen Vogel. Um sich dennoch bei uns einzuschleimen, versprach er uns ein kulinarisches Festmahl. Was dabei herauskam, war ein undefinierbarer Haufen Fleisch auf einem Silbertablett. Sogar Ken o´ B lief bei diesem Anblick schon grün an, so dass wir beschlossen, diesem Etablissement endgültig den Rücken zu kehren.

Mittlerweile haben wir uns im Altstadt-Treff gut eingelebt, zumal der „Ghettoblaster“ unsere Stimmung immer wieder anheizt. Übrigens – auch unsere Kegelleistungen haben sich seit unserer Anfangszeit deutlich verbessert.


(c) Chynasky, August 2002